Eröffnung am Donnerstag, 07.03.2024, 19.00 - 21.00
Einleitende Worte von Dorothea Schellhorn, Phileas
Antidote sind Substanzen oder Behandlungen, die dazu dienen, die schädlichen Auswirkungen von Giften oder Krankheiten zu
neutralisieren beziehungsweise zu mildern. Sie spielen also in der Medizin eine entscheidende Rolle. Die Entwicklung von Antidoten basiert auf einem tiefen Verständnis der Wirkungsweise des
Giftstoffes oder der Krankheit, gegen die sie gerichtet sind.
Florian Nährer präsentiert uns mit dieser Ausstellung das titelgebende, heilsame Gegengift und weiß offensichtlich, was wir brauchen:
Eine ruhige, meditative Position in den aktuellen Wirren von Krieg, Verzweiflung und täglich neuen Hiobsbotschaften aus der ganzen Welt.
Der Prozess der Entstehung seiner Malerei soll sichtbar bleiben. Die Offenlegung des Malvorgangs ist Teil des Bildes. Die Spuren der
Klebebänder und die dadurch entstehende Relief-Struktur der Farbe geben seinen Arbeiten Körper, Ecken und Kanten. Nährer will, dass sich durch seine Bilder Fenster auftun. Fenster in eine andere
Welt. Insofern hat seine Arbeit etwas zeitlos Klassisches. Transzendenz und Schönheit sind die wesentlichen Themen der Kunst seit ihrer Entstehung. Joan Miró hat das ganz ähnlich gesehen: „In der
abstrakten Malerei erschafft der Künstler keine Abbilder der Welt, sondern eröffnet Fenster zur göttlichen Dimension, wo das Unendliche und Ewige in jedem Pinselstrich
wohnt.“
Im Gegensatz zur Zeitlosigkeit seiner Themen ist Nährers Farbpalette eindeutig aus dem hier und jetzt, individuell und unverkennbar.
In der Mode und Kunst entstand während und kurz nach der Pandemie der Begriff der „Dopamin-Farben". Dieser bezieht sich auf eine Ästhetik, die durch lebhafte, kraftvolle Farben gekennzeichnet ist und
intensive emotionale Reaktionen hervorruft. Die Farben stimulieren das Dopamin, ein Neurotransmitter im Gehirn, der mit Belohnung, Vergnügen und Glücksgefühlen in Verbindung gebracht wird. Nährers
Farb-Sprache hat eine ganz ähnliche Wirkung.
In seinem Weg hin zur geometrischen Abstraktion hat Florian Nährer viele verschiedene Phasen durchlaufen. Er hat sich von Abstraktion
zur Figuration und wieder zurückbewegt. Seit ungefähr 2020 sind geometrische Kompositionen der Kern seiner Arbeit. Die Themen, die ihn als Mensch und Künstler interessieren, kreisen um die
wesentlichen philosophischen Fragen des Menschen: Wer bin ich und wohin gehe ich? Welche Orte und Gegenstände strahlen etwas Verheißungsvolles aus und wie verändern sich diese im Laufe der
Geschichte? Können Gegenstände eine spirituelle Kraft besitzen? Gibt es einen Gott und was ist Gnade? Diese großen Fragen bilden den Kern seiner künstlerischen Praxis.
Der Anfang seiner abstrakten New Order Bilder war zuerst die Auseinandersetzung mit Grenzen – politischen wie geographischen – und
platonischen Körpern. In weiterer Folge dann die Beschäftigung mit dem Gnadenbild. Die Geschichte der Gnadenbilder ist mit zahlreichen Legenden und Wundern verbunden, die um sie herum entstanden
sind. Gläubige berichteten oft von Heilungen, Schutz und anderen außergewöhnlichen Ereignissen, die mit der Verehrung dieser Bilder in Verbindung gebracht werden.
Heutzutage sind Gnadenbilder nicht nur historische Relikte, sie spielen weiterhin eine wichtige Rolle im spirituellen Leben vieler
Menschen auf der ganzen Welt. Sie sind Symbole des Glaubens, der Hoffnung und der göttlichen Fürsorge, die Trost und Inspiration in Zeiten der Not bieten können.
Die Auseinandersetzung mit der faszinierenden Idee, dass sich die Gnade beim Kopieren einer Ikone auf die Kopie überträgt, hat Nährer
untersucht. Er wollte gewissermaßen ausprobieren, ob die Abstraktion dieser Idee Abbruch tut. Seither sind verschiedene abstrakte Serien entstanden. Florian Näher interessiert sich dabei für den
Prozess der Verinnerlichung. Allein im Atelier. Allein mit dem Bild und der Farbe. Die scheinbar exakte Ordnung und Strenge täuscht. Was auf den ersten Blick kalkuliert bzw. komponiert wirkt, kommt
spontan aus dem Inneren. Der Künstler lässt sogar neben der Arbeit Filme laufen, Klassiker wie „der Pate“, um einen Zustand zu erreichen in dem er unterbewusst agiert und den kunstgeschichtlichen
Kanon ebenso hinter sich lässt wie die Milliarden auf Instagram und anderen Kanälen befindlichen Bilder. So soll der meditative Prozess in seiner Arbeit zum Ausdruck kommen. Zufall und Imperfektion
als bewusster Bestandteil des Ergebnisses: Nach dem Prinzip Wabi Sabi, der ästhetischen Philosophie und Kunstform aus Japan, die die Schönheit im Unvollkommenen, Vergänglichen und Unregelmäßigen
betont. Dieses Konzept betont die Schönheit, die in der Einfachheit und Bescheidenheit liegt, und akzeptiert den Lauf der Zeit und den Verfall als natürlichen Teil des Lebens.
Florian Nährer gibt uns mit seiner Malerei ein nicht zu unterschätzendes Gegengift: Ruhe und Besinnung gegen alle Stürme der Welt.
Meditation und Verinnerlichung. Meditation steigert erwiesenermaßen den Dopamin-Level im Körper. Bei der Betrachtung des Ergebnisses kann man feststellen: Die Übertragung
funktioniert.
"Die abstrakte Malerei ist ein Versuch, das Unfassbare zu erfassen, das Göttliche zu ergründen und die Essenz von Gottes Schöpfung
wiederzugeben."
Piet Mondrian
- Dorothea Schellhorn -
Antidotes are substances or treatments that serve to neutralise or alleviate the damaging effects of poisons or diseases. They thus play a decisive role in
medicine. The development of antidotes is based on a deep understanding of the mode of operation of the toxin or disease against which they are applied.
With this exhibition, Florian Nährer presents us with the eponymous beneficial remedy and obviously knows what we need: a peaceful, meditative position in the
current turmoil of war, desperation and constant shocking news from around the world every day.
The origination process of his paintings should remain visible. Revealing the painting process is part of the painting. The traces of adhesive tape and the
resulting relief texture of the paint lend his works body and rough edges. Nährer wants his paintings to open windows. Windows into another world. To this extent, his works have something timeless,
classic about them. Transcendence and beauty have been the central themes of art since its beginnings. Joan Miró very much agreed: "In abstract painting, the artist does not create portrayals of the
world, but instead opens windows to the divine dimension, where the infinite and the eternal live in every brush stroke.”
In contrast with the timelessness of his themes, Nährer’s colour palette is clearly of the here and now, individual and unmistakable. The term “dopamine colours”
originated in fashion and art during and shortly after the pandemic. This refers to an aesthetic characterised by lively, powerful colours and evokes intense emotional reactions. The colours
stimulate the production of dopamine, a neurotransmitter in the brain that is linked with reward, pleasure and feelings of happiness. Nährer’s language of colour has a very similar
effect.
Florian Nährer has passed through many phases on his way to geometric abstraction. He has moved from abstraction to figuration and back again. Geometric
compositions have been at the heart of his work since around 2020. The themes that interest him as a human being and as an artist revolve around the essential philosophical questions of the human
being: who am I and where am I going? What places and objects radiate something auspicious and how do these change over the course of history? Can objects possess spiritual power? Is there a god, and
what is grace? These important questions form the core of his artistic practice.
The beginning of his abstract New Order paintings was initially an involvement with boundaries – political and geographic – and platonic bodies. This was followed
by an occupation with the miraculous picture. The history of miraculous pictures is connected with the many legends and miracles that arose around them. The faithful often tell of healing, protection
and other extraordinary events, which are brought into a relationship with these images.
Today, miraculous pictures are not only historical relics. They continue to play a significant role in the spiritual life of many people from around the world.
They are symbols of faith, hope and divine benevolence that can offer solace and inspiration in times of distress.
Nährer examined the involvement with the fascinating idea that grace is transported to the copy when an icon is copied. In a sense, he wanted to determine whether
abstraction negates this idea. He has since created various abstract series. Florian Nährer is thereby interested in the process of internalisation. Alone in the studio. Alone with the image and the
colour, which appears to feign exact order and stringency. What at first glance seems calculated or composed, comes spontaneously from within. The artist even lets films play while he is working,
classics like “The Godfather”, in order to achieve a state in which he acts subconsciously and leaves both the art-historical canon and the billions of images found on Instagram and other channels
behind him. The meditative process should be expressed in his work in this way. Coincidence and imperfection as a conscious component of the result: according to the principle of wabi-sabi, the
aesthetic philosophy and art form from Japan that emphasises the beauty in the imperfect, the transitory and the irregular. This concept emphasises the beauty found in simplicity and modesty and
accepts the passage of time and the dissolution of the natural part of life.
With his painting, Florian Nährer provides us with a remedy that should not be underestimated: peace and contemplation in the face of all the storms of this
world. Meditation and internalisation. Meditation has been proven to increase dopamine levels in the body. One can determine the following when viewing the result: the transfer is
successful.
"Abstract painting is an attempt to comprehend the incomprehensible, to fathom the divine and to reproduce the essence of God’s creation.”
Piet Mondrian