21. 6. - 15. 7. 2017
TINA RIBARITS. the other planet
Opening: 20.6.2017, 19.00 - 21.00, in Anwesenheit der Künstlerin / in the presence of the artist
Exhibition: 21. Juni - 15. Juli 2017
Vortrag "Amazonia" von Tina Ribarits im Naturhistorischen Museum: 28. Juni 2017, 18.30 Uhr
Im Zentrum von the other planet liegt, räumlich wie konzeptuell, ein üppiger, grüner Wald. Eine Kamera bewegt sich langsam durch riesige Blätter, untersucht jeden Winkel und taucht den Betrachter in diesen überwältigenden Raum. Das Bild will beweisen: Das ist echt. Oder lässt unseren Körper wissen: Du bist hier. Genau diese Beharrlichkeit wirkt verdächtig und untergräbt ihre eigene Behauptung. Wie auch in anderen Arbeiten von Tina Ribarits ist jedoch ein Twist vorhanden: Diese scheinbare Simulation verweist auf eine computergenerierte, stereoskopische 3D-Bildlichkeit, ist aber in Wirklichkeit das Ergebnis von Ribarits’ tatsächlich verbrachter Zeit im brasilianischen Amazonas. Man selbst ist zwar nicht dort, aber sie war es. In echt.
Das Ziel der virtuellen Realität ist es, zu überzeugen. Sie ist eine Form der Fiktion, die vorrangig auf die Konstruktion von Beweisen abzielt. the other planet kreiert eine Simulation dieser Form – eine virtuelle Virtualität. Diese führt uns damit allerdings nicht zurück in eine unberührte Realität, gleichsam “vor dem Sündenfall” (das Video mag vielleicht tatsächlich im Regenwald aufgenommen worden sein, das Bild ist jedoch nicht unmanipuliert).
Es lenkt vielmehr die Aufmerksamkeit auf eine Art und Weise, wie Beweise produziert werden. Der brasilianische Amazonas ist kein abstrakter oder willkürlicher Ort für diese Untersuchung; der besondere Fokus auf die Idee von Beweisbarkeit bezieht sich unter anderem auf den Status des Regenwaldes als Forschungslabor, mit seiner außerordentlichen Biodiversität und prekären Zukunft. In diesem Sinne widersetzt sich Ribarits’ Arbeit der reduktiven Sicht der Wissenschaft als eine Praxis, Dinge festzunageln und einzugrenzen. Wissen hat die Fähigkeit, die Welt größer, verbundener, vielfältiger zu machen.
Das Antreten des "Echten" gegen alles andere soll jedoch nicht die Kolonialgeschichte des Amazonasbeckens ignorieren oder die damit verbunden Auswirkungen. Ein Video, das eine lange, ausdauernde Aufnahme entlang des Amazonas-Flusses zeigt, ist ein klarer, wenn auch multifunktionaler Verweis auf eine Reihe von Quellen, die diese Geschichten in Erinnerung rufen: von “Herz der Finsternis” über “Apocalypse Now” zu “Fitzcarraldo”. Der Kongo, Vietnam, der peruanische und der brasilianische Amazonas sind zu einem einzigen kolonialen Blickwinkel verschmolzen, auf einem Boot, im Wasser fahrend; Teil der Szenerie, aber auch außerhalb davon.
Dem allgegenwärtigen Grün fügen bunte kolorierte Malereien eine weitere Dimension hinzu, die einerseits das Bild des europäisch-viktorianischen Naturalisten evoziert, der nach der Rückkehr nach Hause heitere Zeichnungen fabriziert. Andererseits verstärken sie aber auch die Idee von Science Fiction, die gleichsam über dem Raum schwebt. In den Malereien zeigt sich eine Energie und Freude, die möglicherweise für eine Sehnsucht nach Freiheit einsteht. Das explizit Nicht-Reale kann indes einen Raum für Kritik schaffen, wie etwa in der Tradition der Anarcho-Feministin Ursula LeGuin.
Die letzte und vielleicht ambivalenteste Referenz, die the other planet gleichsam heimsucht, ist James Cameron’s Film Avatar (2009) - Repräsentant eines Blockbuster-Kinos, das für seine Politik des “weißen Retters” und seine Konstruktion einer naiven, wenn auch “spirituellen” indigenen Bevölkerung im Rückgriff auf rassistische Stereotypen gewiss kritisiert werden kann. Nichtsdestotrotz schöpft Ribarits im Verweis auf den Film aus dem Potenzial seines narrativen Grundgedankens: aus der Vorstellung nämlich, dass der einzige Weg, einen anderen Planeten zu
betreten, darin besteht, sich einen anderen Körper anzulegen. Die Idee und Technik der Medialisierung und des Virtuellen können genauso manipulieren und verfälschen wie auch Mittel darstellen, um über uns selbst hinauszuweisen.
Text: Johanna Linsley
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At the centre of the other planet, both spatially and conceptually, there is a lush, green forest. A camera moves slowly through giants leaves, examining every angle, immersing the viewer in this overwhelming space. The image does what it can to prove to us: this is real. Or, implicating our bodies: you are here. This very insistence comes off as suspicious, undermining its own claims. As in other works by Tina Ribarits, though, there is a twist. This seeming simulation gestures towards computer-generated, stereoscopic 3D imaging, but is in fact the result of Ribarits’ genuine time spent in the Brazilian Amazon. You may not be there, but she has been. Really.
The aim of virtual reality is to convince. It is a form of fiction geared fundamentally towards the construction of evidence. the other planet produces a simulation of this form – a virtual virtuality. However, in doing so, it does not return us back to some unsullied, prelapsarian real (the video may have been truly shot in the rain forest, but the image is not non-manipulated). Rather, it calls attention to the modes by which evidence is produced. The Brazilian Amazon is not an abstract or arbitrary site for this investigation; this focus on evidence references, in part, the rain forest’s status as a research laboratory, with its supreme biodiversity and precarious future. In this sense, the work resists the reductive view of science as a practice of pinning things down, containing them. Knowledge has the capacity to make the world bigger, more connected, more varied.
This is not, though, to ignore the colonial histories of the Amazon forest basin, or the colonial implications of pitting the real against the other. A video composed of one long, slow take along the Amazon river is a clear, if multi-purpose, reference to a range of sources which call to mind these histories, from Heart of Darkness, to Apocalypse Now, to Fitzcarraldo. The Congo, Vietnam, the Peruvian and Brazilian Amazon are collapsed into a single colonial viewpoint, inside the boat, moving on the water, part of the scene but also outside it.
Brightly coloured paintings add another dimension to the ubiquitous green, bringing in, on the one hand, the European Victorian naturalist, making cheerful drawings back home. On the other hand, they also consolidate the sense of science fiction which lingers in the space. There is an energy and fun to the painting, which stands in, perhaps, for a desire for freedom. The firmly not-real can also allow space for critique, in the tradition of the anarcho-feminism of Ursula LeGuin.
The final, and perhaps most compromised, reference that haunts the other planet is to the 2009 James Cameron film Avatar – a piece of media certainly to be reviled for its white saviour politics, and its construction of a naïve, if ‘spiritual’, aboriginal people that resorts to racist stereotypes. The film is nevertheless mined by Ribarits for the potential of its central narrative conceit: that the only way to access another planet is to take on another body. Mediation and the virtual can manipulate and distort, but they might also be means for reaching beyond ourselves.
Text: Johanna Linsley
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