8. März - 26. April 2024

FLORIAN NÄHRER. Antidote

Eröffnung am Donnerstag, 07.03.2024, 19.00 - 21.00

Einleitende Worte von Dorothea Schellhorn, Phileas

Antidote sind Substanzen oder Behandlungen, die dazu dienen, die schädlichen Auswirkungen von Giften oder Krankheiten zu neutralisieren beziehungsweise zu mildern. Sie spielen also in der Medizin eine entscheidende Rolle. Die Entwicklung von Antidoten basiert auf einem tiefen Verständnis der Wirkungsweise des Giftstoffes oder der Krankheit, gegen die sie gerichtet sind.

Florian Nährer präsentiert uns mit dieser Ausstellung das titelgebende, heilsame Gegengift und weiß offensichtlich, was wir brauchen: Eine ruhige, meditative Position in den aktuellen Wirren von Krieg, Verzweiflung und täglich neuen Hiobsbotschaften aus der ganzen Welt.

Der Prozess der Entstehung seiner Malerei soll sichtbar bleiben. Die Offenlegung des Malvorgangs ist Teil des Bildes. Die Spuren der Klebebänder und die dadurch entstehende Relief-Struktur der Farbe geben seinen Arbeiten Körper, Ecken und Kanten. Nährer will, dass sich durch seine Bilder Fenster auftun. Fenster in eine andere Welt. Insofern hat seine Arbeit etwas zeitlos Klassisches. Transzendenz und Schönheit sind die wesentlichen Themen der Kunst seit ihrer Entstehung. Joan Miró hat das ganz ähnlich gesehen: „In der abstrakten Malerei erschafft der Künstler keine Abbilder der Welt, sondern eröffnet Fenster zur göttlichen Dimension, wo das Unendliche und Ewige in jedem Pinselstrich wohnt.“ 

Im Gegensatz zur Zeitlosigkeit seiner Themen ist Nährers Farbpalette eindeutig aus dem hier und jetzt, individuell und unverkennbar. In der Mode und Kunst entstand während und kurz nach der Pandemie der Begriff der „Dopamin-Farben". Dieser bezieht sich auf eine Ästhetik, die durch lebhafte, kraftvolle Farben gekennzeichnet ist und intensive emotionale Reaktionen hervorruft. Die Farben stimulieren das Dopamin, ein Neurotransmitter im Gehirn, der mit Belohnung, Vergnügen und Glücksgefühlen in Verbindung gebracht wird. Nährers Farb-Sprache hat eine ganz ähnliche Wirkung. 

In seinem Weg hin zur geometrischen Abstraktion hat Florian Nährer viele verschiedene Phasen durchlaufen. Er hat sich von Abstraktion zur Figuration und wieder zurückbewegt. Seit ungefähr 2020 sind geometrische Kompositionen der Kern seiner Arbeit. Die Themen, die ihn als Mensch und Künstler interessieren, kreisen um die wesentlichen philosophischen Fragen des Menschen: Wer bin ich und wohin gehe ich? Welche Orte und Gegenstände strahlen etwas Verheißungsvolles aus und wie verändern sich diese im Laufe der Geschichte? Können Gegenstände eine spirituelle Kraft besitzen? Gibt es einen Gott und was ist Gnade? Diese großen Fragen bilden den Kern seiner künstlerischen Praxis.  

Der Anfang seiner abstrakten New Order Bilder war zuerst die Auseinandersetzung mit Grenzen – politischen wie geographischen – und platonischen Körpern. In weiterer Folge dann die Beschäftigung mit dem Gnadenbild. Die Geschichte der Gnadenbilder ist mit zahlreichen Legenden und Wundern verbunden, die um sie herum entstanden sind. Gläubige berichteten oft von Heilungen, Schutz und anderen außergewöhnlichen Ereignissen, die mit der Verehrung dieser Bilder in Verbindung gebracht werden.

Heutzutage sind Gnadenbilder nicht nur historische Relikte, sie spielen weiterhin eine wichtige Rolle im spirituellen Leben vieler Menschen auf der ganzen Welt. Sie sind Symbole des Glaubens, der Hoffnung und der göttlichen Fürsorge, die Trost und Inspiration in Zeiten der Not bieten können.

Die Auseinandersetzung mit der faszinierenden Idee, dass sich die Gnade beim Kopieren einer Ikone auf die Kopie überträgt, hat Nährer untersucht. Er wollte gewissermaßen ausprobieren, ob die Abstraktion dieser Idee Abbruch tut. Seither sind verschiedene abstrakte Serien entstanden. Florian Näher interessiert sich dabei für den Prozess der Verinnerlichung. Allein im Atelier. Allein mit dem Bild und der Farbe. Die scheinbar exakte Ordnung und Strenge täuscht. Was auf den ersten Blick kalkuliert bzw. komponiert wirkt, kommt spontan aus dem Inneren. Der Künstler lässt sogar neben der Arbeit Filme laufen, Klassiker wie „der Pate“, um einen Zustand zu erreichen in dem er unterbewusst agiert und den kunstgeschichtlichen Kanon ebenso hinter sich lässt wie die Milliarden auf Instagram und anderen Kanälen befindlichen Bilder. So soll der meditative Prozess in seiner Arbeit zum Ausdruck kommen. Zufall und Imperfektion als bewusster Bestandteil des Ergebnisses: Nach dem Prinzip Wabi Sabi, der ästhetischen Philosophie und Kunstform aus Japan, die die Schönheit im Unvollkommenen, Vergänglichen und Unregelmäßigen betont. Dieses Konzept betont die Schönheit, die in der Einfachheit und Bescheidenheit liegt, und akzeptiert den Lauf der Zeit und den Verfall als natürlichen Teil des Lebens.

Florian Nährer gibt uns mit seiner Malerei ein nicht zu unterschätzendes Gegengift: Ruhe und Besinnung gegen alle Stürme der Welt. Meditation und Verinnerlichung. Meditation steigert erwiesenermaßen den Dopamin-Level im Körper. Bei der Betrachtung des Ergebnisses kann man feststellen: Die Übertragung funktioniert.

"Die abstrakte Malerei ist ein Versuch, das Unfassbare zu erfassen, das Göttliche zu ergründen und die Essenz von Gottes Schöpfung wiederzugeben."

Piet Mondrian

- Dorothea Schellhorn -

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