15. 09. - 5. 11. 2016
HUBERT BLANZ. Das Haus vom Nikolaus
Opening: 14.9.2016, 19.00 - 21.00, in Anwesenheit des Künstlers / in the presence of the artist
In der Ausstellung „Das Haus vom Nikolaus“ zeigt die Galerie Reinthaler einen Ausschnitt aus Hubert Blanz umfangreicher Werkreihe „Homeseekers“. Es handelt sich darin, wie in vielen anderen Arbeiten des Künstlers, um räumliche Strukturen, architektonische Situationen und städtische Motive, wobei der Ausgangspunkt dieses Projektes in der fotografischen Erfassung von Londons Fassaden- und Maueransichten zu finden ist. Blanz hat über 2.600 Fotos in sämtlichen Boroughs von Greater London aufgenommen, überarbeitet und dann teilweise collageartig zusammengesetzt und neu inszeniert.
Hubert Blanz interessiert sich für die reduzierte Form. Er spart Details aus und objektiviert seine Fotos. Auffallend ist, dass keine Menschen und möglichst wenig Umgebung abgebildet werden. So erreicht er seine gewollt „kulissenhafte, naive und perspektivenlose“ Ansicht. Durch die Wiederholung ähnlicher Motive, die möglichst zweidimensional aus unterschiedlichen Blickwinkeln fotografiert wurden, werden ebendiese in ihrer Wichtigkeit betont. Dieselbe Arbeitsweise finden wir etwa in Blanz Fenster- und Lichtstrukturdarstellungen aus Chicago: „Urban Codes“.
Blanz ist ein Sammler von Motiven. Seine Arbeit beinhaltet neben einem knappen Maß an dokumentarischem Charakter die Absicht, neue Sinnzusammenhänge zu evozieren und zuzulassen. In seiner flächigen und abstrahierenden Darstellung der fenster- und türlosen Häuserwände nimmt er daher auch bewusst Bezug auf das Kinderzeichenspiel „Das ist das Haus vom Nikolaus“, bei welchem gleichzeitig zu den acht gesprochenen Silben innerhalb eines Linienzuges ein einfaches Haus gezeichnet wird.
Hubert Blanz zeigt in der Ausstellung Einzel- und Gruppenfotos ausgewählter Fassaden sowie Ausschnitte aus der dreiteiligen Bildcollage „Homeseekers – A City from Behind“, eine neun Meter breite Stadtansicht, die zwischen 2012 und 2016 entstanden ist. Jedes Foto oder Bild enthält vielschichtige Wahrnehmungsmöglichkeiten und will auch so gelesen werden. Ein wichtiger Aspekt in Hubert Blanz Werken stellen sozialkritische Fragen und historische Zusammenhänge dar: Gerade die „Hinterhofansicht“ ist interessanter als die Prunkansicht eines Gebäudes. Häuser werden bewusst von hinten („The City from Behind“) betrachtet - mit ihren fenster-, tür- und schmucklosen Fassaden. Der Künstler betont seine Faszination für die architektonische Besonderheit der schlichten Backsteinfassadenhäuser, welche nach dem Großen Brand von London im Jahre 1666 zunehmend die Holzbauten ersetzten.
Maßgeblich für deren Aussehen waren überdies die Fenstersteuer aus dem Jahre 1696 und die „Steuer auf Luft und Licht“ aus dem Jahre 1746, welche beide erst Mitte des 19. Jahrhunderts wieder abgeschafft wurden und während deren langer Wirksamkeit soziale Unterschiede deutlich sichtbar wurden.
In „Brickline 1250 - A British Wall Frieze“ gestaltet Blanz aus nahezu endlos zusammengesetzten Garten- und Grundstücksmauern aus Backstein ein Fotoband, welches direkt auf die Wand geklebt die Galerie durchläuft. Dieses Abtasten des Raumes erinnert an die langen Streifzüge durch jene Städte, die sich Blanz zum Thema macht. Das Begehen und Umrunden Londons spiegelt sich in der Anordnung der 12,5 Meter langen Rauminstallation wieder. Wir finden in „Brickline“ erneut die systematische Aneinanderreihung eines ähnlichen Motivs. Auch hier steht Erkennbarkeit im Hintergrund. Wichtiger ist die Suche nach neuen gestalterischen Möglichkeiten und Sinnzusammenhängen. Das Errichten von Mauern erinnert an das aktuelle Weltgeschehen.
Bei der Recherche in London fielen Blanz die vielen Immobilienangebote von Maklern auf. Der Titel „Homeseekers“, der Teil des Namens eines Londoner Immobilienbüros ist, verweist auf deren Annoncen – eine Verdeutlichung der hoffnungslosen Wohnungssuche in einer prekären Wohnungsmarktsituation, wie sie zunehmend auch in Wien zu spüren ist.
Text: Simone Christl
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In the exhibition ‚'Das Haus vom Nikolaus' ('The house of Saint Nicholas') the gallery Reinthaler shows an excerpt of Hubert Blanz’ wide body of work ‚Homeseekers’. Like in many of the other artist’s series it deals with spatial structures, architectonic situations and urban motives, whereby the origin of this project has to be found in capturing London’s facades and mural exterior walls. Blanz took over 2600 images in each boroughs of Greater London, edited and, in some extent, composed them in collages and scenes.
The reduced form is what Hubert Blanz is interested in. He spares details and objectifies his photographs. The absence of humans and the fact that there is barely any environment is strikingly obvious. This is how he intentionally achieves his ‘stage-like, naïve and viewless’ scenes. In repeating similar subjects, photographed from different angles in order to show them as two-dimensional as possible, their importance gets emphasized even more. This kind of approach can also be found in Blanz’ windows and light structure compositions of Chicago: ‘Urban Codes’.
Blanz is a collector of subjects. His work contains, alongside a concise amount of documentary character, the intention to evoke and allow new contexts. Beyond example his planar and abstract way of depiction of window- and door-less house walls do remind of the children’s rhyme ‘Das Haus vom Nikolaus’: while simultaneously saying out loud all eight syllables one draws a simple house within one line.
In the exhibition Hubert Blanz shows single images, multipiece series and collages taken from edited crops. Each photograph or image contains many-faceted possibilities of perception and intends to be read so.
Expressing sociocritical questions and historical contexts is an important aspect in Hubert Blanz’ bodies of work: showing the ‘backyard scene’ is clearly more interesting than the splendour side of a building. Houses are consciously viewed from behind (‚'The City from behind’) – with their bare facades without windows and doors. The artist emphasizes his fascination for the architectonical peculiarity of the simple brick houses, which increasingly replaced the wooden buildings after the Great Fire of London in 1666. Additionally, an essential influence on their appearance has been the window tax from 1696 and the ‚'tax for light and air’ from 1746, both oft them only abolished in the mid of 19th century and therefore a significant sign for social differences during their long efficacy.
In ‚Brickline 1250 A British Wall Frieze’ Blanz creates a frieze composed out of virtually endless garden and property walls made from stone bricks, running through the gallery. When scanning the room one gets reminded of the vast wanderings through those cities Blanz makes his topic. The walking and encircling of London reflects the frieze’s arrangement. Again we find the methodical concatenation of a similar subject in ‚'Brickline’. Here, too, distinguishability is in the back seat. More important is the quest for new artistic possibilities and contexts. The construction of walls makes one think of the current world affairs.
During his investigations in London the numerous real estate listings caught Blanz’ eye. In the title ‘Homeseekers’ he refers to their adverts – an elucidation of the hopeless flat-hunting within a precarious situation of the apartment market, which one also can sense in Vienna increasingly these days.
Text: Simone Christl
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