12.11.2021 - 25.02.2022

Matthias Klos / Tina Ribarits . MIMESIS

Die Ausstellung MIMESIS präsentiert Arbeiten von Matthias Klos und Tina Ribarits, die sich einem fremden Kulturraum als mediatisierte Erfahrung annähern und dabei dem eigenen Blick ästhetisch begegnen. 

 

Die Serie „I only know Mifune and Kitano“ von Matthias Klos ist eine Auseinandersetzung mit der Wirkung von kulturellen Klischees: Persönliche Assoziationen wie Handwerk, Papier, Manga, Samurai, Mifune und Kitano ergaben zusammen ein „Japan-Gefühl“, der Scherenschnitt erschien als geeignetes Medium des künstlerischen Übertrags. Mit hohem Präzisionsanspruch intuitiv ohne Vorzeichnung in einem einzigen durchgehenden, konzentrierten Arbeitszug angefertigt, entstanden entlang der gefalteten Mittelachse gespiegelte Muster, die zwischen ornamentaler Abstraktheit und maskenhafter Silhouette changieren. Vom Künstler als Piktogramme einer selbstreferenziellen Kulturikonografie gedacht, haben sie privaten Charakter, deren Informationsgehalt nur indirekt übersetzt werden kann. Sie leiten sich ab vom Japan des Kinos, des gefalteten Papiers und der Comics, kurz: von den kulturellen Exportgütern, die uns etwas von einem Land erzählen, auch wenn wir nie dort gewesen sind. Im Titel verweist der Künstler mit schonungslosem Witz auf das eigene (Nicht-)Wissen, das sich aus Unterhaltungsindustrie und Populärkultur, aus Fiktionen und Überlieferungen speist, aber auch von ethnologischem Interesse geleitet wird und sich letztlich auf die eigene Erfahrung aus zweiter Hand richtet. Gleichzeitig sind ästhetische Objekte entstanden, die an eine künstlerische Tradition des geschnittenen Papiers anknüpfen, welche vor Jahrhunderten u.a. aus dem asiatischen Raum nach Europa gelangte und einen Kulturübertragungsprozess durchlaufen hat. Lange Zeit als weibliche Handarbeit oder Kunststück fahrender Gaukler betrachtet und erst mit der Moderne als kunstwürdig anerkannt, vollzieht der Scherenschnitt als Weise des Zeichnens am Papier die Trennlinie buchstäblich, die als Markierung der Grenze zwischen einer Figur und ihrem Hintergrund fungiert und ihre Wahrnehmbarkeit bedingt. Die Scherenschnitte von Matthias Klos haben auf farbigem Karton fotografiert im Print unterschiedliche Größen, die ihre Formen überdimensional erscheinen lassen. Mit der gerahmten, fotografischen Abbildung nimmt der Künstler einen medialen Transfer der Papierobjekte vor, die ihre piktorale Ästhetik hervorkehren. 

 

Tina Ribarits widmet sich dem Wald als Thema und Projektionsfläche des Anderen, von Vorstellungen des Exotischen, Geheimnisvollen und der Wildnis durchzogen. Dabei interessiert sich die Künstlerin für die „virtuelle Begegnung“ mit der Natur, wo der Naturraum als kulturell geformte Idee wirkt und gleichzeitig eine Realität ist, die nicht unberührt oder ahistorisch, sondern von kolonialer Vergangenheit und ökonomischen Interessen geprägt wird. Ihre großformatigen Zeichnungen zeigen Vögel und Schlangen aus den tropischen Wäldern Lateinamerikas. Vorlagen dazu findet die Künstlerin in unterschiedlichen Quellen, wie dem Internet, Büchern oder eigenen Aufnahmen. Es sind Fotografien, die Bilder eines fremden Lebensraums erzeugen und gleichzeitig den Blick darauf konstituieren, der physische Nähe suggeriert. Schlangen und Vögel erscheinen unabhängig, nicht zähmbar, Federschmuck und Schlangenhaut sind auch Trophäen der Zivilisation. Auf den ersten Blick mögen die Zeichnungen an wissenschaftliche Darstellungen des 19. Jahrhunderts erinnern, im Aquarell, das dem Malerischen nahekommt, sind jedoch wenig Details auszumachen, die eine Bestimmung ermöglichen. Es geht vielmehr um den Verweis auf die mediatisierte Vermittlung des Fremden, die jenem Blick auf das Andere Vorschub leistet, der sich der Schönheit und Anziehungskraft von Farbenpracht und Finesse der Natur kaum entziehen kann. In der Rolle einer Erforscherin gibt Tina Ribarits der Reflexion postkolonialen Verhältnissen ästhetisch Raum, die entstandenen Bilder erzählen dabei von einer freundlichen Begegnung mit dem nicht-menschlichen Gegenüber. 

 

Text: Synne Genzmer

 

The exhibition MIMESIS presents works by Matthias Klos and Tina Ribarits. In these works, the artists approach a foreign cultural space as a mediatized experience, aesthetically encountering their own gaze in the process.

 

In the series "I only know Mifune and Kitano," Matthias Klos explores the effect of cultural clichés: personal associations such as crafts, paper, manga, samurai, Mifune and Kitano come together to evoke a "feeling of Japan" for which silhouettes seem to be a suitable medium of artistic communication. Drawn intuitively without preliminary sketches in a single continuous, concentrated step requiring high precision, they are mirror-image patterns created along the folded middle axis that fluctuate between ornamental abstraction and mask-like silhouette. Conceptualized by the artist as pictograms of a self-referential cultural iconography, they have a private character whose informational content can only be indirectly translated. They are derived from the Japan of cinema, of origami and comics, in short: from the cultural exports that tell us something about a country even if we've never been there. In the title, the artist mercilessly mocks his own (lack of) knowledge, which comes from the entertainment industry and popular culture, fiction and lore, but is also guided by ethnological interest and ultimately based on his own second-hand experience. At the same time, they are aesthetic objects that borrow from an artistic tradition of paper cutting that reached Europe centuries ago from Asia (among other places) and underwent a process of cultural transmission. Long regarded as a women's craft or traveling artists' work and only granted the status of art in modern times, the silhouette as a method of drawing on paper literally brings to completion the dividing line that marks the border between a figure and its background and allows it to be perceived. Matthias Klos' silhouettes, photographed on colored cardboard, have different sizes in the print that make their shapes seem inordinately large. With the framed, photographic image, the artist carries out a media transfer of the paper objects, emphasizing their pictorial aesthetics. 

 

Tina Ribarits focuses on the forest as a theme and a surface for projecting the Other, permeated with images of the exotic, the mysterious and the wilderness. The artist is interested in a "virtual encounter" with nature where the natural world is at once both an idea shaped by culture and a reality that is not untouched or ahistorical, but instead marked by the colonial past and economic interests. Her large-format drawings show birds and snakes from the tropical forests of Latin America. The artist finds templates for them in various sources, such as the Internet, books or her own photographs. These are photographs that create images of a foreign habitat while also constituting a view that suggests physical proximity. Snakes and birds appear independent, untamable; decorative feathers and snakeskin are also trophies of civilization. At first glance, the drawings may resemble 19th-century scientific illustrations, but in the watercolor, which comes closer to painterly style, few of the details necessary for classification can be discerned. 

Instead, they point out how media communicate the strange, how they foster a way of looking at the other that can hardly be separated from the beauty and attractiveness of nature's splendid colors and finesse. In the role of an investigator, Tina Ribarits gives aesthetic space to the reflection of postcolonial relationships, while the images she creates tell of a friendly encounter with our non-human counterparts. 

 

Text: Synne Genzmer 

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