09. 03. - 30. 04. 2016
SOFYA TATARINOVA. from russia with love
Opening: 8.3.2016, 19.00 - 21.00, in Anwesenheit der Künstlerin / in the presence of the artist
In der Renaissance sehnte sich die abendländische Menschheit nach einer Wiedergeburt der Antike und dem damit verbundenen Humanismus. Weg vom Mystischen, hin zum Irdischen, so die Parole. Die Hoffnung einer Renaissance Russlands hat sich nach dem Zerfall der Sowjetunion bisher nicht erfüllt, im Gegenteil: der russische Präsident beruft sich gerne auf seine "Herrschaft per Hand-steuerung" - von einem Verfassungsverständnis ist man aktuell weit entfernt.
Sofya Tatarinovas fotografische Serie "Renaissance" (2015) zeigt Landschaftsaufnahmen, die sich in Motivwahl sowie Komposition stark auf die Kulturepoche des 15. und 16. Jahrhunderts beziehen. Die in den österreichischen Alpen oder am Meer entstandenen Fotografien erinnern an Brueghel oder andere flämische Maler wie Joachim Patinir und Lucas van Valckenborch, ebenso wie an die venezianischen Maler, die erstmalig Figuren und Landschaft miteinander zu verschmelzen wussten, ja sogar die Figuren an den Bildrand rücken ließen und so Landschaft zum eigentlichen Bildthema machten. Beeindruckt von diesen bekannten Landschaftsmalereien studiert Tatarinova deren perspektivische Darstellungstechniken, zieht Vergleiche und sucht Gemeinsamkeiten und Unter-schiede zur heutigen Raum- und Landschaftswahrnehmung. Sie arbeitet mit dem quadratischen Format der Hasselblad Kamera und experimentiert mit Perspektive und Aufnahmewinkel - und es gelingt ihr, eine mythologisch anmutende, feinsinnig bis opulente Bildwelt zu erzeugen.
Die Halbinsel Krim am Schwarzen Meer und deren Urlaubsressorts sind Schauplatz von Tatarinovas Serie "Krim" (2015). Die Südküste der Krim avancierte im 19. Jahrhundert zu einem beliebten Urlaubs- und Erholungsziel, in der sowjetischen Zeit kamen sogar bis zu zehn Millionen Saisongäste pro Jahr. Der Tourismus ist neben der Landwirtschaft nach wie vor wichtigster Wirtschaftsfaktor der Halbinsel. Seit Beginn der Krim-Krise vor zwei Jahren zieht es fast ausschließlich russische Touristen in die Ressorts, in denen Sofya Tatarinova vornehmlich nachts fotografiert hat. Es ist eine sehr persönliche Reise für die Künstlerin – sie hat die Krim bereits drei Mal besucht: zu Sowjetzeiten, dann, als die Krim zur Ukraine gehörte, und heute. In dokumentarischer Manier hält sie Fronten von geschlossenen Imbissbuden und Supermärkten fest; heruntergelassene Jalousien, Zäune und Hausmauern versperren den Blick zu den eigentlichen touristischen Attraktionen. Putin taucht an Wänden in Form von Graffitis auf, einmal als lockerer Geschäftsmann, der sich in der Kulturlandschaft der Krim zu erholen scheint, ein andermal mit Pilotenbrille am Steuer einer Yacht: ein Kampfjet zieht in den Farben der russischen Flagge seine Schleifen über dem Meer. Die Kombination aus politischer Propaganda und ausgestorbenen Straßen, Geschäften und Restaurants erzeugen eine ambivalente und gespenstische Atmosphäre.
Neben der gegenwärtigen Bestandsaufnahme von Strandorten der Krim zeigt uns Sofya Tatarinova in Zusammenarbeit mit Daniel Dlouhy Videoarbeiten (2015-2016), in denen Tatarinova die Protagonistin spielt. Hier prophezeit sie in sketchartigen, absurden Szenen die Zukunft, Szenen, wie sie bald in ihrem Heimatland Russland, ebenso wie in Europa, passieren könnten: in "Bomb Shelter" ist eine Frau in ihrer Nachbarschaft auf der Suche nach einem Bunker - im Glauben, Amerika werde jeden Moment Moskau bombardieren. Als russische Terror-Expertin warnt sie in "Terror" das österreichische Volk vor zukünftigen Anschlägen und erteilt Tipps zu Verhaltens- und Sicherheitsvorkehrungen. In beinahe allen Performances stellt ihr ein uns anonym bleibender Mann hinter der Kamera Fragen und wird manchmal in das Geschehen hineingezogen. Jede einzelne Videoarbeit erzählt von einer Gesellschaft, die in politisch und ökonomisch unsicheren Zeiten zu Medienhysterie, übertriebenen Stereotypen, Ängsten und Misstrauen neigt.
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Sofya Tatarinova’s photographic work ‘Renaissance’ (2015) shows a series of landscapes in subjects and composition strongly relating to the cultural époque of 15th and 16th century. Although taken in the Austrian Alps or at the seaside nowadays, the images seem to be allusions to Brueghel and other Flemish painters like Joachim Patinir and Lucas van Valckenborch, or to Venetian painters who managed to coalesce figures with landscape for the first time, even let figures move to the picture’s margin and finally made landscape an actual topic and genre. Impressed by these famous Renaissance paintings, Tatarinova examined their perspectival techniques and searched for similarities and differences in today’s spatial and landscape perception. In using a Hasselblad film camera with square format she accomplished a different approach, experimenting with perspective and angle of view - and succeeded in creating a seemingly mythological pictorial world, equally subtle and opulent.
The Crimean Peninsula at the Black Sea and its holiday resorts is the setting of Tatarinova’s series ‘Crimea’ (2015). The Southern Coast as a vacation and recreation destination already has been established in the 19th century, during Soviet times even 10 million chose the area for their holidays. Tourism still is, alongside agriculture, the main branch of modern Crimean economy. Since the beginning of Crimean Crises, though solely Russian tourists would visit the resorts, at which the artist mainly photographed at night. For Sofya, this series is a personal journey – she has been in Crimea three times: when Crimea was in Soviet Union, when it was Ukraine and now. In a documentary approach she recorded fronts of closed sandwich bars and supermarkets, closed shutters, fences and walls block the view from the actual touristic attractions at night. Putin appears on walls as graffities, once as nonchalant businessman relaxing in the Crimean cultural landscape, another time at the wheel of a yacht wearing pilot glasses; a jet fighter flies its rounds over the sea leaving the colours of the Russian flag behind. The combination of political propaganda and empty streets, shops and restaurants evoke an ambivalent and spooky atmosphere.
In addition to this present evaluation of beach resorts on Crimea Sofya Tatarinova in cooperation with Daniel Dlouhy shows video works (2015-2016) wherein Tatarinova acts as the protagonist herself. In humorous, absurd scenes she predicts the future, probable scenes of the near future possibly happening in her home country Russia as well as in Europe: in ‘Bomb Shelter’ a woman seeks for a shelter in her district convinced that the USA soon will bomb Moscow. In ‘Terror’ a Russian terror expert warns Innsbruck citizens about future terror attacks in Austria and gives advice on how to behave and what to do in order to be safe. In most of the performances there’s a man behind the camera approaching the woman interviewing her, sometimes even getting involved in the happening himself. Tatarinova’s performances tell about a society tending to media hysteria, exaggerated stereotypes, fears and mistrust.
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